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Ernest Benisch: Das Mosaik füllt sich

Zu Leben und Wirken des Instrumentenhändlers Ernest Benisch ist auf meinem Blog und mit einem Artikel in der Zeitschrift „Sonic – Sax & Brass“ bereits schon einiges zusammengetragen worden. Immer wieder finden sich aber kleine Mosaiksteinchen, die das historische Bild zur Person Ernest Benisch weiter vervollständigen, sei es mit seinem humorvollen Beitrag in einer Zeitschrift oder einem Fundstück auf genealogischen Internetportalen. Nun konnte ich eine weitere Fundstelle ausmachen, die meine bisherigen Vermutungen bestätigt.

Der Stürmer meldet sich zu Wort: Ernest Benisch am Pranger

Es wurde ja bereits dargelegt, dass Ernest Benisch aller Wahrscheinlichkeit kurz nach der Machtergreifung vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen ist. Dass er im Jahr 1940 einen eigenen Eintrag im Lexikon der Juden in der Musik bekam, bestätigte dann, dass er allen Grund dazu gehabt hatte. Und wie es in einem totalitären Regime heute wie damals üblich ist und war, hetzte auch die Presse gegen ihn. Das Blatt der Wahl für Ideologen, um damals Personen darin an den öffentlichen Pranger zu stellen, war Der Stürmer. Dort heißt es:

 

Ernest Benisch

Er ist Jude und Emigrant

Wohl jeder Musiker kennt die Ernest Benisch-Saxophone und Klarinetten-Blätter. Länger im Beruf stehende Musiker erinnern sich auch des bekannten „Saxophon-Fernlehr-Kurses“ von Ernest Benisch, den dieser für RM. 100.- in Fortsetzungsheften vertrieb. Auch Benisch-Saxophone gibt es. Die „Ernest-Benisch-Blätter“ werden bis zum heutigen Tage in Deutschland umfangreich gehandelt und hauptsächlich von einer Firma in Herford i.W. angeboten.

Ernest Benisch aber ist Jude und Emigrant. Er ist personengleich mit dem früheren Artisten Ernst Benisch, geboren am 15.10.1893 in Stracone bei Trautenau, lebte vor 1933 in Köln a.Rh., Herschelstraße 3b und ist ehemals tschechischer Staatsangehöriger.


(Aus: „Der Stürmer: Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit.“ Hrsg.: Julius Streicher. Nürnberg, im Mai 1940. 18. Jahrgang, Nr. 22.)

 

Dieser kurze Text – dessen erster Absatz auf nur wenigen Zeilen vor Redundanzen im übrigen nur so strotzt – bestätigt mehrere Thesen zum Leben Ernest Benischs:

  • Er hatte sich vor einer Verfolgung durch die Nationalsozialisten im Exil in Sicherheit gebracht.
  • Sein Geburtsname lautete „Ernst Benisch“ – nicht Ernest Benisch.
  • Er lebte in Köln.

Interessant ist, dass Ernest Benisch mit seinen Instrumenten, seinem Fernkurs für Saxophon sowie seinen Blättern genügend Erfolg hatte, dass man sich genötigt sah, linientreue Musiker im Stürmer mit der Bezeichnung „Jude und Emigrant“ vor ihm zu warnen. Letztendlich kehrte er aus seinem Exil vermutlich zumindest nicht dauerhaft nach Deutschland zurück und geriet hier nahezu in Vergessenheit. Nur hie und da taucht ein Ernest-Benisch-Saxophon oder ein Mundstück auf und bringt seinen Namen auch heute wieder in Erinnerung. Seine Lebensgeschichte ist aber sowohl  exemplarisch und ein Mahnmal für die Verfolgten des Nationalsozialismus als auch ein Zeugnis der Jazz- und Saxophon-Begeisterung in den goldenen Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland.